Der Zukunft ein Zuhause bauen

Steil sind die Hänge, sehr steil. Und der Winter dauert sieben Monate. Doch hier in Nufenen, auf 1 569 m ü. M., bauen Menschen an ihrer Zukunft. Die Coop Patenschaft hilft mit.

Die Kinder der Bergbauernfamilie Meuli helfen bei der Arbeit mit dem Vieh.

Wie ein Stein fällt das Thermometer, kaum ist die Sonne über dem Rheinwald versunken. Ist ja auch kein Wunder. Es ist Winter, der Wind fegt durch das Tal am San Bernardino und das Dorf Nufenen liegt auf 1 560 Metern. «Kopf einziehen», sagt Oskar Meuli beim Eingang ins 300-jährige Haus, dem man das Alter ansieht. Und anmerkt. Die Kühe der Meulis – wunderschöne Original-Braune mit Hörnern – leben auf jeden Fall moderner als der Bio-Bauer, seine Frau Karin und die Kinder Benjamin, Manuel und Jasmin. Der Freilaufstall ist gerade mal acht Jahre alt und eben so konstruiert, dass die Kühe einander aus dem Weg, anstatt aufeinander losgehen.

Aber es geht ja hier nicht um die Behausung der Kühe, Schafe und Ziegen, sondern um ein Haus für die junge Familie. «Es ist ganz einfach», sagt Vater Meuli: «Das Haus, in dem wir zur Miete wohnen, wird verkauft. Den Kaufpreis und die dringend notwendigen Sanierungsarbeiten können wir uns nicht leisten.» Und wegziehen? «Das ist Heimat hier», sagt Meuli, der lange im Unterland gearbeitet hat. «Ich bin hier daheim», doppelt Karin Meuli nach. Weg von hier? Die drei Kinder schütteln den Kopf. «Sicher nicht.»

Obwohl, wenn die Familie mal im April im Unterland zu Besuch ist, dort bereits die ersten Blumen blühen und sie dann wieder hinauf muss und an den steilen Hängen noch Schnee liegt … «Wir haben hier sieben Monate Winter – aber das ist jetzt nun mal so», sagt der Bio-Bauer. «Bei uns müssen alle Jungen weg, wenn sie was lernen wollen. Aber das ist gut. Wenn sie dann zurückkommen, haben sie etwas gelernt und einen weiteren Horizont.» Dass die Nufener und die Bewohner der benachbarten Dörfer einen weiten Horizont haben, bewiesen sie vor 20 Jahren: Das (nicht der) Rheinwald ist die Wiege des Bio-Kantons Graubünden. Von hier stammen die ersten Coop-Bio-Käse, Nufenen und zwei weitere Dörfer haben vor über 20 Jahren in corpore auf Bio umgestellt. Heute ist Bio-Käse aus Nufenen, Sufers, Splügen und Andeer in der ganzen Welt begehrt.

Aber zurück zu den Meulis. Die sind nicht nur stolz auf den Käse, sondern darauf, gemeinsam den Betrieb aufgebaut zu haben. «Den Kuh- und später den Ziegen- und Schafstall liessen wir im Rohbau errichten – den Rest machten wir mehr oder weniger selber.» Neben der Kuhherde haben die beiden auch eine Schaf- und Ziegenherde aufgebaut. «Am Anfang hatten wir gerade mal zwei Ziegen und die Leute lachten mich aus, wenn ich mit dem kleinen Ziegenmilchkesseli vorbeimarschierte», muss Meuli im Nachhinein selber grinsen. Heute ist die Schaf- und Ziegenmilch begehrt und wird im benachbarten Sufers verkäst. Die Kuhmilch wird im Dorf veredelt, die Sennerei bietet 2,5 Arbeitsstellen. Viel für das 150-Seelen-Dorf. «Familien wie die Meulis sind genau die Bauern, die wir unterstützen müssen – innovativ, engagiert und mit einem Blick für die Realitäten», sagt Béatrice Rohr. Sie ist Geschäftsführerin der Coop Patenschaft für Berggebiete, welche Familien wie die Meulis unterstützt. «Sie glauben selber an die Zukunft und bauen an ihr – sonst gäbe es im Dorf Nufenen nicht über 20 Kinder im Schulalter.»

Diese Schulkinder packen automatisch mit an: beim Heuen, beim Viehhüten oder indem sie die Ziegenherde auf die Weide bringen und wieder von dort holen. Die Touristen kommen jeweils nicht nach mit Fotografieren, wenn Benjamin im Sommer die Geissen durchs Dorf treibt.

Aber was im Rheinwald passiert, ist keine Heidi-Geissenpeter-Inszenierung für die Fremden. «Das ist echt und eine der vielen Facetten der Schweiz von heute», sagt Béatrice Rohr. Eine ihrer schönsten ...